Offener Brief: „Ein Schritt in die falsche Richtung“

Offener Brief

Umweltschutzverbände, Verkehrs­initiativen, Architekten und Denk­mal­schützer gemeinsam für eine schnelle Umsetzung der Gefahren­beseitigung für Zufuß­gehende auf der Sommerburg­straße, gegen neue Parkplätze auf der „Kirch­wiese“, sowie für lang­fristig wirk­same Schritte zur Lösung von Park­problemen auf der Margarethen­höhe.


Die Margarethenhöhe ist eines der bedeutendsten Zeugnisse der Gartenstadtbewegung und ein zentrales
Aushängeschild der Stadt Essen. Aus aller Welt kommen Menschen zur Margarethenhöhe. Dort zu wohnen
ist ein Privileg und entsprechend nachgefragt.
Die Straßen der Gartenstadtsiedlung sind schmaler als üblich, was 1909 durch eine Sondergenehmigung
möglich gemacht wurde, bei der es noch keine Vorstellungen vom Umfang der heutigen Individualmobilität
gab. Der sogenannte ruhende Verkehr hat der städtebaulichen Qualität schon an vielen Stellen erheblichen
Schaden zugefügt. Die geplanten kleinteiligen Maßnahmen am Giebelplatz deuten an, dass die Stadt Essen
und die Margarethe-Krupp-Stiftung (MKS) gewillt sind, sich des Themas anzunehmen.

Nunmehr hat sich die Diskussion um hochgradig gefährliches Parken an der Sommerburgstraße in eine Rich-
tung entwickelt, die uns Sorge bereitet. Um Ersatzparkplätze zu schaffen, scheinen Stadt und Stiftung gewillt,
einen weiteren zentralen Ort der alten Margarethenhöhe dem ruhenden Verkehr zu opfern. Gleichzeitig
macht schon die geringe Anzahl von 16 neuen Stellplätzen deutlich, dass diese Maßnahme angesichts des
Umfangs verkehrsgefährdend abgestellter Fahrzeuge nur in sehr geringem Ausmaß Ersatz schafft.
Durch die Versiegelung der Kirchwiese würde ein zentraler denkmalgeschützter Platz in der historischen
Gartenstadt in seiner städtebaulichen Struktur zerstört. Eine Überbauung wäre in keinem Sinne zielführend,
sondern ein nicht wieder gut zu machender Frevel am historischen Erbe.

Die Unterzeichner halten dies für einen (weiteren) Schritt in die falsche Richtung und wenden sich hiermit
explizit gegen den Bau einer Stellplatzanlage auf den Grünflächen vor der katholischen Kirche. Gleiches gilt
auch für die in Betracht gezogene Fläche an der Steilen Straße.
Die von der Stadt erwogene Maßnahmen am Lehnsgrund und an der Freiwilligen Feuerwehr erscheinen
angesichts der Problematik wenig geeignet, wesentlich zur Problemlösung beizutragen, wenngleich diese
Bereiche für die städtebauliche Struktur weniger bedeutsam erscheinen.
Diskussionsbeiträge hingegen, die darauf gerichtet sind, die Entscheidung, wieviel Platz Fußgänger*innen,
radfahrenden Kindern und anderen „schwächeren“ Verkehrsteilnehmende zuzugestehen sind, dem Spiel
der örtlichen Interessen zu überlassen, sind nicht akzeptabel.

Daher unterstützen wir das vorgeschlagene Maßnahmenpaket von BUND, VCD, FUSS e.V., ADFC Essen sowie
RadEntscheid Essen und bitten um sorgfältige und alle Belange beachtende Prüfung:

  • Sicherheit geht vor – das Parken auf weiten Teilen des Gehweges an der Sommerburgstraße ist kurz-
    fristig zu unterbinden.
  • Parkverstöße ahnden: Zuwiderhandlungen sind konsequent zu ahnden. Vorrangig sind solche Bereiche
    ordnungsbehördlich zu kontrollieren, in denen ein erhöhtes Sicherheitsrisiko besteht wie auf der Som-
    merburgstraße.

Keine Schnellschüsse: Eine kurzfristige Entlastung und die langfristige Lösung für das Problem des wilden
Parkens sind gemeinsam zu denken und zu beschließen. Dazu gehören:

  • Der Verzicht auf die Errichtung von neuen ebenerdigen Parkplätzen auf den verbliebenen Freiflächen
    der „alten“ Margarethenhöhe.
  • Kurzfristige Schaffung von Ersatzparkraum auf bereits versiegelten Flächen in der Peripherie der „al-
    ten“ Margarethenhöhe (Lührmannstraße und unter der Margarethenbrücke „Am Mühlenbach“).
  • Die Einführung einer Bewohnerparkregelung für die gesamte Siedlung und Bewirtschaftung aller
    öffentlichen Parkplätze
    : Eine solche Regelung kann und wird für eine Entlastung der Wohnbereiche
    von Fremdparkenden sorgen und auf diesem Wege zahlreiche bereits vorhandene Parkplätze für die
    Bewohnerschaft frei machen. Diesbezüglich sind die Parkplätze unter der Brücke (an der Straße „Am
    Mühlenbach“) sowie an der Lührmannstraße besonders hervorzuheben. Das Universitätsklinikum als
    wesentlicher Verursacher des Fremdparkens ist in diesem Kontext anzuhalten, seine diesbezüglichen
    Probleme mit einem durchdachten Konzept vor Ort zu lösen.
    Nur bewirtschaftete Parkplätze werden letztlich für eine Entspannung sorgen und die Option eröffnen,
    eine Bündelung der Stellplätze an weniger kritischen Standorten zu realisieren.
  • Gleiche Regeln für die Erreichbarkeit von Parkplätzen und öffentlichem Verkehr: Die „Empfehlungen
    für Anlagen des öffentlichen Personennahverkehrs“ zeigen Richtwerte zwischen 300 und 1.200 Meter
    für den Zugang zu einer Haltestelle in Abhängigkeit von Besiedlung und Fahrtangebot auf. Bei 600 Me-
    tern Radius dauert der Fußweg 8 bis 10 Minuten zur Haltestelle. Dies gilt noch als zumutbar (vgl.
    Deutschlandatlas). Was für den öffentlichen Verkehr als zumutbar gilt, darf auch für den privaten ru-
    henden Verkehr als zumutbar gelten, zumal die Margarethenhöhe durch die Stadtbahn, den Bürgerbus,
    den Nachtexpress und die Grugatrasse vergleichsweise gut angebunden ist. Alle Standortbewertungen
    sind an diesen Zahlen und nicht an den deutlich niedriger gewählten der Stadt Essen auszurichten.
  • Quartiersparken in peripherer Lage: Prüfung der vorgeschlagenen Standorte hinter dem Studierenden-
    wohnheim und auf dem Parkplatz am Gruga-Eingang Lührmannstraße auf ihre Eignung und der Voraus-
    setzungen für die Einrichtung von Quartiersparken in Form einer bewirtschafteten Anlage. Die MKS hat
    in der Vergangenheit bereits eine entsprechende Bereitschaft für die Realisierung eines Quartierspark-
    hauses signalisiert.
  • Intensive begleitende Öffentlichkeitsarbeit: Jede der vorstehend beschriebenen Maßnahmen verlangt
    eine Abkehr von lieb gewordenen Gewohnheiten: Sie stellt das vermeintliche Recht auf einen kosten-
    losen Parkplatz in Zweifel und verlangt nach der Bereitschaft, auch längere Wege in Kauf zu nehmen.
    Daher sollte dies mit einer intensiven begleitenden Öffentlichkeitsarbeit auf der Basis möglichst breit
    getragener politischer Beschlüsse vermittelt werden. Die wesentlich zur Auszeichnung als „Grüne
    Hauptstadt Europas“ beigetragene Modalsplit-Zielsetzung 4 x 25 % (also 75 % Anteil für die Verkehrs-
    mittel des Umweltverbundes) bietet dazu bereits eine Grundlage.

Erstunterzeichner

Prof. em. Dr.-Ing. Rainer Metzendorf, Stadtplaner und Architekt dwb
Dr. Axel Heimsoth, Essen
Achim Mikuscheit, ehem. zuständig für die Außenstellen des Ruhr Museums, Buchautor zur Margarethen-
höhe
Günther Samsel, Architekt und Denkmalpfleger
Andreas Holtkamp, Architekt und Denkmalpfleger, BDA
Peter Brdenk, Architekt, BDA, Buchautor zur Essener Architekturgeschichte
Christiane Voigt, Architektin und Stadtplanerin, BDA
Michael Happe, Stadtplaner AKNW
Tobias Kloth (für den Vorstand des BDA Essen)
Martin Kaiser/Andreas Bolle (für den Vorstand der BUND-Kreisgruppe Essen)
Frauke Krüger (für den Vorstand des NABU Ruhr e.V.)
Wolfgang Packmohr (für den Vorstand FUSS e.V. Ortsgruppe Essen)
Dr. Stefan Hochstadt (für Vorstand des VCD Essen)
Marc Zietan / Benjamin Voigt (für den Vorstand des ADFC Essen e.V.)
Heino Saling (für das Kernteam des RadEntscheid Essen

Kategorie: